Hintergrund: Betrug bei Sprach- und Einbürgerungstest
Laut den Recherchen der Medienplattformen Stern und RTL treten die Anbieter in sozialen Netzwerken als angebliche Sprachschulen auf. Sie werben mit gefälschten Zertifikaten der Sprachstufen A1 bis C2 sowie mit gefälschten LiD-Bescheinigungen. Besonders betroffen sollen Zertifikate des Anbieters telc, aber auch von Volkshochschulen oder der IHK sein.
Die Dokumente werden benötigt, um die Einbürgerung zu beantragen. Auch für bestimmte Aufenthaltstitel wie die Niederlassungserlaubnis ist ein Sprachtest Voraussetzung:
- § 30 AufenthG – Ehegattennachzug
- § 9 AufenthG – Niederlassungserlaubnis
- § 28 AufenthG – Niederlassungserlaubnis für Ehegatten Deutscher
- § 9a AufenthG – Daueraufenthalt-EU
- § 35 AufenthG – Niederlassungserlaubnis für Kinder von Ausländern
- § 9 StAG – Einbürgerung von Ehegatten Deutscher
- § 10 StAG – Einbürgerung
Experten warnen, dass bundesweit Tausende solcher gefälschten Zertifikate im Umlauf sein könnten. Könnte das Konsequenzen für alle Einbürgerungsverfahren und Aufenthaltstitel haben?
Polizeigewerkschaft fordert Aussetzung aller Verfahren
Heiko Teggatz, stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, bezeichnet den Handel mit gefälschten Sprachzertifikaten und Integrationstests als schwere kriminelle Handlung. Im Interview mit dem Nachrichtensender NTV forderte er eine schnelle Reaktion der Politik.
Konkret schlägt Teggatz vor, alle Verfahren, die ein B1-Sprachzertifikat oder den Nachweis des „Leben in Deutschland“-Tests (LiD) voraussetzen, vorübergehend auszusetzen. Zudem sollen die Ausländerbehörden, so Teggatz, alle in den letzten ein bis zwei Jahren eingereichten Dokumente noch einmal überprüfen. Falls sich gefälschte Unterlagen herausstellen, müsse dies zur Aberkennung des Aufenthaltstitels oder der Einbürgerung führen.
Parteien fordern Stopp von Verfahren und Prüfung
Die AfD-Bundestagsfraktion fordert ähnliche Maßnahmen. Der innenpolitische Sprecher, Gottfried Curio, erklärte, dass ein vorübergehender Stopp bei Einbürgerungen und der Vergabe von Aufenthaltstiteln notwendig sei, solange Sprachzertifikate Teil der Antragsvoraussetzungen sind. Erst wenn eine „gegen Betrug abgesicherte Kontrollpraxis“ etabliert sei, dürften Verfahren wieder aufgenommen werden.
Darüber hinaus plädiert die AfD für eine umfassende Überprüfung bereits erteilter Einbürgerungen und Aufenthaltstitel. In Betrugsfällen soll eine Rücknahme nach § 35 Staatsangehörigkeitsgesetz erfolgen.
Die CDU spricht sich ebenfalls für eine erneute Überprüfung aller bereits erteilter Aufenthaltstitel und Einbürgerungen aus. Die Grünen hingegen warnen davor, alle Einbürgerungswilligen unter Generalverdacht zu stellen. Stattdessen plädieren sie für fälschungssichere Verfahren, um Betrug künftig zu verhindern, ohne rechtmäßige Antragsteller:innen zu benachteiligen.
Die Einbürgerung öffnet die Tür für viele Vorteile für Ausländer, die in Deutschland leben und arbeiten. Entdecken Sie, welche Rechte mit einer deutschen Staatsbürgerschaft und einem deutschen Pass auf einen warten und warum die Einbürgerung in Deutschland so wertvoll ist. Dieser Blogartikel...
Einbürgerung und Aufenthaltstitel: Können Verfahren pauschal ausgesetzt werden?
Rechtlich gesehen, ist ein vorübergehender und pauschaler Stopp aller Einbürgerungs- und Aufenthaltsverfahren allerdings kaum umsetzbar. Die Bundesregierung müsste zuvor eine klare gesetzliche Grundlage schaffen. Das würde einen Gesetzentwurf sowie eine Mehrheit im Bundestag voraussetzen.
Der Grund: Die Einbürgerung ist in Deutschland (in den meisten Fällen) eine sogenannte Anspruchseinbürgerung. Laut § 10 Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) haben alle Antragsteller:innen einen rechtlichen Anspruch auf die Einbürgerung, sofern sie alle gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen. Darunter fällt zum Beispiel ein rechtmäßiger Aufenthalt in Deutschland von mindestens fünf Jahren, Kenntnisse über die deutsche Rechts- und Gesellschaftsordnung, Sprachkenntnisse und ein gesicherter Lebensunterhalt.
Wer all diese Voraussetzungen für die Einbürgerung erfüllt, hat in Deutschland ein Recht auf den deutschen Pass. Eine pauschale und vorübergehende Aussetzung der Verfahren würde in diese subjektiven Rechte eingreifen. Betroffene könnten dies vor Verwaltungsgerichten einklagen.
Aufenthaltstitel unterliegen ebenfalls rechtlichen Vorgaben: Aufenthaltstitel, wie die Niederlassungserlaubnis oder der Daueraufenthalt-EU, können nicht ohne Gesetzesgrundlage für alle Antragsteller gestoppt werden.
Was Behörden und Politik aktuell tun können
Behörden dürfen (und müssen) jeden einzelnen Fall gezielt prüfen – vor allem, wenn Zweifel an der Echtheit der Unterlagen bestehen. Das kann bedeuten, dass Zertifikate bei Prüfungsstellen, Sprachschulen oder mit Datenbanken abgeglichen werden.
Wenn festgestellt wird, dass ein Aufenthaltstitel oder die Einbürgerung auf gefälschten Unterlagen beruht, können die Behörden diese zurücknehmen oder widerrufen (§ 35 StAG und § 51 AufenthG). Im Fall der Einbürgerung kann sie sogar bis zu zehn Jahre nach der Erteilung wieder entzogen werden.
Jeder Rücknahmebescheid muss aber individuell begründet werden. Eine pauschale Annullierung für alle Antragsteller ist nicht erlaubt. Betroffene haben dabei immer die Möglichkeit, Widerspruch einzulegen und notfalls vor Gericht zu ziehen.
Die aktuelle Debatte um die gefälschten Zertifikate könnte zudem dazu führen, dass die Politik für künftige Anträge neue Sicherheitsregelungen schafft. Das könnte strengere Nachweise, elektronische Verifikationen oder Meldepflichten für Prüfstellen umfassen. Solche Maßnahmen müssen jedoch verfassungskonform, verhältnismäßig und sorgfältig begründet sein.
Fazit: Pauschaler Stopp für Einbürgerungen rechtlich nicht umsetzbar
Die Fälle gefälschter Sprach- und „Leben-in-Deutschland“-Zertifikate haben deutschlandweit eine Debatte über Prüfverfahren und Sicherheitsmaßnahmen ausgelöst. Entgegen den Forderungen aus Politik und Gesellschaft können die Bundesregierung oder die Ausländerbehörden aber nicht pauschal alle Verfahren stoppen.
Behörden haben aber das Recht und die Pflicht, jeden Fall intensiv zu prüfen, vor allem wenn konkrete Zweifel bestehen. Werden dabei gefälschte Unterlagen entdeckt, kann die Behörde Aufenthaltstitel oder Einbürgerung nach den geltenden gesetzlichen Vorschriften zurücknehmen oder widerrufen. Diese Maßnahmen erfolgen immer individuell, sodass niemals alle Antragsteller pauschal betroffen sind.
