Einbürgerung trotz erfüllter Voraussetzungen abgelehnt
Der Kläger, ein libanesischer Staatsbürger, lebt seit zwölf Jahren in Deutschland und beantragte 2023 in Niedersachsen den deutschen Pass. Seine Unterlagen waren vollständig und er erfüllte alle Voraussetzungen für die Einbürgerung: gültiger Nationalpass, für die Einbürgerung zugelassener Aufenthaltstitel, B1-Sprachzertifikat, bestandener Einbürgerungstest, gesicherter Lebensunterhalt und keine Vorstrafen. Auch Sicherheitsprüfungen beim Verfassungsschutz und der Polizei ergaben keine Bedenken.
Beim Termin in der Behörde wurde er zu einer mündlichen Befragung aufgefordert. Dabei ging es um die freiheitlich-demokratische Grundordnung, mit Fragen wie:
- Was verstehen Sie unter Demokratie?
- Wie heißt die deutsche Verfassung?
- Was verstehen Sie unter dem Begriff Rechtsstaat?
- Mit welchen Worten beginnt die deutsche Nationalhymne?
Neben diesen inhaltlichen Themen zu Demokratie, Rechtsstaat und Grundrechten wollte die Behörde laut Gerichtsurteil aber auch Antworten auf folgende (eigentlich unzulässige) Fragen wissen:
- Schauen Sie deutsches Fernsehen? Auch die Nachrichten?
- Was wird aktuell in den Nachrichten berichtet?
- Über welche Kriege wird momentan berichtet?
- Was passiert in Israel?
- Welche Staatsform hat Deutschland?
- Was verstehen Sie unter Pressefreiheit?
Weil der Mann einige Fragen nicht vollständig und zur Zufriedenheit der Behörde beantworten konnte, wurde die Einbürgerung abgelehnt.
Die Behörde begründete die Ablehnung damit, dass die Befragung ergeben habe, der Mann kenne die freiheitlich-demokratische Grundordnung nicht ausreichend und könne sich daher nicht wirksam zu ihr bekennen. Ein bestandener Einbürgerungstest allein reiche nach Ansicht der Behörde nicht aus, um seine Kenntnisse über Rechts- und Gesellschaftsordnung nachzuweisen.
Der Mann legte Klage ein. Und das Verwaltungsgericht Braunschweig gab ihm recht.
Behörde darf Fragen nur bei konkreten Zweifeln stellen
Das Verwaltungsgericht Braunschweig stellte im Urteil klar: Die Ablehnung der Einbürgerung war rechtswidrig und nicht durch das Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) gedeckt.
Die Behörde hatte dem Mann Fragen gestellt, für die es weder eine gesetzliche Grundlage noch einen konkreten Anlass gab. Eine Ablehnung allein wegen unvollständig beantworteter Fragen ist daher unzulässig – zumal der Kläger alle Voraussetzungen für die Einbürgerung erfüllte und es keine Sicherheitsbedenken oder Hinweise auf verfassungsfeindliche Aktivitäten gegen ihn gab.
Wichtige Punkte des Urteils
Fehlende schriftliche Loyalitätserklärung: Die Behörde argumentierte, der Kläger habe kein wirksames Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung abgegeben. Tatsächlich wurde ihm die gesetzlich vorgeschriebene, schriftliche Bekenntniserklärung gar nicht vorgelegt.
Stattdessen führte die Behörde eine eigene Befragung durch. Das Gericht machte deutlich: Ohne schriftliche Loyalitätserklärung darf ein Bekenntnis zur Grundordnung nicht beurteilt werden.
Zusatzfragen nur bei konkretem Anlass erlaubt: Seit der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts im Juni 2024 gilt: Das Bekenntnis zur freiheitlichen-demokratischen Grundordnung muss eine innere Überzeugung widerspiegeln. Hat die Behörde Zweifel an der Verfassungstreue oder liegen weitere Ausschlussgründe vor(§ 11 Satz 1 Nr. 1a StAG), müssen diese auf objektiven Tatsachen beruhen.
Nur dann darf die Behörde weitere Prüfmaßnahmen ergreifen und zusätzliche Fragen stellen. Eine Befragung ohne nachweisbaren Anlass ist unzulässig, so auch das Verwaltungsgericht Braunschweig.
Im Fall des Klägers lagen keine derartigen Hinweise vor. Der bestandene Einbürgerungstest (§ 10 Abs. 1 Nr. 7 StAG) reicht grundsätzlich aus, um Kenntnisse über die Grundordnung nachzuweisen.
Die Loyalitätserklärung ist eine formale Bestätigung, die Sie persönlich bei der Einbürgerungsbehörde abgeben müssen. Mit dieser Erklärung zeigen Sie, dass Sie die Regeln und Gesetze der Bundesrepublik Deutschland akzeptieren und sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen. ...
Urteil noch nicht rechtskräftig
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das Verwaltungsgericht Braunschweig hat sowohl eine Berufung beim Oberverwaltungsgericht als auch beim Bundesverwaltungsgericht zugelassen. Das ist in diesem Fall wichtig, da es hier um die Auslegung von Bundesrecht (also dem Staatsangehörigkeitsrecht) geht. Es besteht somit die Möglichkeit, dass die beiden höhergestellten Gerichte das Urteil des VG Braunschweig noch revidieren.
Trotzdem können Antragsteller oder ihre Anwälte die Argumentation des Gerichts bereits jetzt nutzen, um in ähnlichen Fällen Widerspruch bei der Behörde einzulegen.
